Ich sitze an meinem Laptop und mache die Bildauswahl einer Hochzeit. Es ist spät am Abend, die Galerie ist fast fertig sortiert, und ich bin bei den Portraits angekommen. Plötzlich bleibe ich bei zwei Fotos hängen. Auf den ersten Blick sind sie identisch: gleiche Pose, gleiche Umgebung, gleiche Kameraeinstellung. Und doch ist da ein Unterschied.
Auf dem einen wirken die beiden cool, fast schon ein wenig distanziert, mit einem starken Blick in die Kamera. Auf dem anderen blitzt ein zartes Lächeln auf. Das Foto wirkt weich, verletzlich, romantisch. Und während ich hin und her klicke, merke ich: Zwischen diesen beiden Bildern liegen Welten.
Ich frage mich, welches Bild ich auswählen soll. Ist das „Richtige“ das starke, coole Bild? Oder ist es das zarte, verletzliche? Und vielleicht sind ja beide richtig. Denn kein Mensch ist nur das eine oder nur das andere. Jeder trägt beides in sich – Stärke und Verletzlichkeit.
Aber genau hier beginnt die eigentliche Herausforderung. Denn in dem Moment, in dem ich mich entscheide, lege ich auch fest, wie das Paar sich später erinnern wird. Das Foto, das ich auswähle, wird irgendwann ihre Erinnerung an diesen Moment prägen. Und das ist eine riesige Verantwortung.
Mir wird in solchen Momenten klar, dass die Bildauswahl nicht nur etwas über meine Paare aussagt – sondern auch über mich selbst. Bin ich in diesem Augenblick eher in einer sentimentalen Stimmung, greife ich vielleicht zum Foto mit dem Lächeln. Fühle ich mich stark, souverän, entscheide ich mich vielleicht für das kühlere, kraftvollere Bild.
So oder so: Meine Entscheidung ist immer auch ein Spiegel meiner Persönlichkeit. Und genau das wird später sichtbar. Denn was ich auswähle, wird nicht nur die Erinnerung der beiden formen – es zeigt auch, wer ich als Fotograf bin. Ich entscheide mich für das weiche Portrait.
Das bedeutet für mich, dass die Bildauswahl nicht nur ein technischer Prozess ist, bei dem ich die besten Bilder filtere. Sie ist vielmehr eine Auseinandersetzung mit mir selbst. Sie zwingt mich dazu, ehrlich hinzuschauen: Welche Art von Fotograf möchte ich sein? Zeige ich Menschen gern stark, oder zeige ich sie lieber weich und verletzlich?
Und genau da liegt die Chance. Wenn ich das für mich weiß, kann ich meine Auswahl konsequent danach ausrichten. Ich kann genau diese Art von Fotos auf meiner Website präsentieren – und damit Paare anziehen, die sich darin wiederfinden. Menschen, die genauso gesehen werden wollen, wie ich sie sehe.
So wird die Bildauswahl am Ende nicht nur eine Aufgabe im Workflow. Sie wird ein Prozess, der mich selbst definiert.
Fazit
Die Bildauswahl ist mehr als das Aussortieren von Bildern. Sie ist ein Spiegel – für das Paar und für mich. Zwischen zwei fast identischen Fotos können Welten liegen, und meine Entscheidung zeigt, wer ich bin. Wenn ich das bewusst einsetze, ziehe ich automatisch die Paare an, die wirklich zu mir passen – und genau das macht meine Arbeit so viel leichter und erfüllender.


